Hahn Peter ist der größte Schreihals in Waldesruh
Einmal im Jahr suchen die Mitglieder des Kleintierzuchtverein D545 Berlin-Mahlsdorf-Waldesruh den lautesten Hahn aus ihren Reihen. Dabei steht die Ausdauer im Vordergrund, nicht der kurze Schrei.
Normalerweise treffen sich die Mitglieder immer an Pfingstsonntag zum Hahnenwettstreit in Waldesruh. „Wegen Corona ging es ja nicht. Dann mussten wir es jetzt eben nachholen“, erklärt die Vereinsvorsitzende Angela Altmann. Einst waren es 35 Mitglieder, jetzt hat der Kleintierzüchterverein nur noch sieben. Der Nachwuchs fehlt komplett, während die anderen Mitglieder immer älter werden, bedauert die Chefin.
Sechs Hähne stellten sich der Jury, einer war vorher ausgebüxt. So konnte Herbert Kayser nur ein Exemplar beim Wettstreit anmelden. Dazu kamen zwei Hähne der Vereinsvorsitzenden und der haushohe Favorit Heinrich. „Der hat in den letzten Jahren immer gewonnen“, klärt Kampfrichter Manfred Rother auf. Er selbst hat kein Getier, deshalb wurde er als unparteiisch genug für diesen Posten gehalten. Ihm zur Seite stand Mike Schmidt im Zwei-Mann-Richter-Team.
Heinrich ist schon ein betagter Hahn. „Zehn Jahre ist er, ein stolzes Alter“, sagt sein Besitzer Werner Desens. Da kann das Federvieh jedoch nicht mit seinem Besitzer Mithalten. Der Berliner, der direkt an der Grenze zu Waldesruh wohnt, ist 93 Jahre alt und dafür topfit. „Manchmal zwingt es aber doch schon in den Knochen“, gibt er leise zu. Trainiert hat er mit seinem Heinrich für den Hahnenwettstreit nicht: „Da kann man nichts weiter machen als abwarten.“
Alle machten sich mittlerweile schon Sorgen, wo Waltraud Musy bleibt. Die Neuenhagenerin war mit zwei Hähnen einer Zwergrasse angekündigt worden. Noch rechtzeitig traf sie mit den Teilnehmern Fridolin und Peter ein, bevor der Wettstreit startete.
Nachdem Manfred Rother das Signal gegeben hatte, hatten die sechs Hähne genau 30 Minuten Zeit, so oft wie möglich zu krähen. „Das muss schon als Krähen wahrnehmbar sein, kein gockeln oder andere Geräusche kommen in die Wertung“, erklärte er. Genau vor den Käfigen nahmen er und sein Kollege auf einer Bank Platz. Wer beobachte eigentlich wen? Da mussten die beiden Richter lachen: „Das ist die Frage“, sagt Mike Schmidt.
Nach einer kurzen Anfangsnervosität des Teilnehmerfeldes ging Heinrich in die Offensive. Mit sechs „Krähern“ zog er der Konkurrenz davon. Bis zur Halbzeit holte Peter auf. Mit leicht heiser wirkender Stimme, aber einem imposant anschwellenden Brustkorb schaffte der Zwerg unter den Teilnehmern den Ausgleich. Dann setzte Peter kurzzeitig die Akzente im Feld. Mit schriller Stimme machte er sich auf die Verfolgungsjagd. Doch sein Stallgenosse Peter setzte zum Zwischenspurt an und zog auf und davon. 25 „Kräher“ schaffte er in der halben Stunde, gefolgt vom gescheiterten Titelverteidiger Heinrich (18) und Fridolin (10). Der Rest des Feldes blieb zur Freude der Nachbarn stumm. Kandidat Nummer zwei (ohne Namen) hielt es während des gesamten Wettkampfes nicht für nötig, sich „Aug in Aug“ der Jury zu zeigen. Stattdessen präsentierte er seine Federpracht am Hinterteil. Das brachte ihm die kunstvoll gestaltete Medaille des schlechtesten Teilnehmers ein, über die sich Besitzerin Angela Altmann genauso freute, wie über die der Vorjahre aus gleichem Anlass.
Ob es für Siegerhahn Peter nun eine Belohnung gibt, das verneinte die stolze Besitzerin Waltraud Musy: „Heute gibt es auch ganz normales Futter. Aber vielleicht verwöhnen ihn ja seine Frauen“, sagt sie lachend mit dem Sieger im Arm.
Einfach als Hahn und Besitzer hat man es heutzutage nicht, können alle Teilnehmer des Wettstreites berichten. Mal wir zu laut gekräht, mal zur falschen Zeit, mal zu lange – „Es sind eben Tiere, die haben ihren eigenen Kopf und sie richten sich nicht nach Zeiten. Mit ein bisschen mehr Gelassenheit können doch alle gut zusammen leben“, sagt Werner Desens. Er muss es wissen, topfit mit seinen 93 Lebensjahren.
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