Lollapaloza – Gespräch mit Bürgermeister Karsten Knobbe nach dem Musikfestival in Hoppegarten
Über das Lollapalooza-Festival sprach die Pro Hoppegarten mit Bürgermeister Karsten Knobbe. Als Leiter der Koordinierungsgruppe, in der mehrere Behörden und Einrichtungen zusammenarbeiteten, war er hautnah am Geschehen dabei.
Herr Knobbe, wie haben Sie das laut Veranstalter größte Musikfestival in Deutschland, das Lollapalooza erlebt?
Obwohl es sich ja um eine private Veranstaltung auf privater Fläche handelte, die keiner Genehmigung als Veranstaltung bedarf, blieben Landkreis und Gemeinde für die Gewährleistung der Sicherheit der vom Festival betroffenen Personen mitverantwortlich. Natürlich war ich zwischen den Sitzungen auch kurz auf der Fläche, um mir einen eigenen Eindruck vom Festival und seiner Besucher zu verschaffen.
Hat sich der Veranstalter an die gerichtlich bestätigten Auflagen der Gemeinde gehalten?
Nur zum Teil. Das Gericht hatte ja sowohl die Spielzeiten, insbesondere Sonntag nur bis 22 Uhr, wie auch die Höchstdezibelzahl die am Messpunkt Medianklinik ankommen dürfen und die sich aus dem Lärm ergebenden Kompensationsmaßnahmen zugunsten der ca. 3000 betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner bestätigt. Auch wenn im Vorfeld der Veranstalter die Zahlungen von Entschädigungen oder Unterkunftskosten ablehnte, scheint es jetzt so zu sein, dass die Ansprüche nicht mehr bestritten, sondern abgearbeitet werden.
Leider hat der Veranstalter die zeitlichen Rahmenbedingungen weder zu den beteiligten Künstlern kommuniziert, noch Vorkehrungen getroffen, diese umzusetzen. Den Programmablauf konnten wir nicht vorgeben und verändern, obwohl es dringend notwendig gewesen wäre, am Sonntag die Foo Fighters um eine Stunde versetzt früher spielen zu lassen. Wir hatten also die Situation, dass um 22 Uhr gut 60.000 durch die Musik aufgeputschte Besucherinnen und Besucher auf der Fläche waren. Bei einem Ende der Spielzeit dieser Gruppe um 21 Uhr hätten wir eine Stunde zur notwendigen „Abkühlung“ gehabt, die nun nicht mehr vorlag. Die Koordinierungsgruppe musste daher im Interesse der Gewährleistung der Sicherheit der Besucherinnen und Besucher eine Verlängerung der Spielzeiten hinnehmen; eine Situation, auf die der Veranstalter unter Missachtung der gegebenen Auflagen bewusst hinsteuerte. Alle Führungskräfte für die Einsatzkräfte, wie auch der Landrat und ich als Bürgermeister, haben daher die Entscheidung getragen, ein Weiterspielen (welches dann auch zu einer entspannteren Lage führte) nicht zu unterbinden.
Bürger beschwerten sich über die Lautstärke. Gab es dabei Messungen und wurden Überschreitungen festgestellt?
Es gab drei feste, durch uns vorgegebene Messpunkte sowie ein mobiles Messgerät, das bei Einzelbeschwerden von Bürgerinnen und Bürgern zum Einsatz kam. Insbesondere am Sonnabend gab es keine Überschreitung der vorgegebenen Werte.
Ein anderes Bild ergibt sich für Sonntagabend. Da wurden durch die Foo Fighters, die von 19.45 bis 22 Uhr spielten, klar die festgesetzten Höchstschallwerte überschritten. Sobald die Messreihen hier vorliegen, werden diese vom Landesamt für Umwelt ausgewertet und unsererseits ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen den Veranstalter eingeleitet.
Berliner Tageszeitungen schreiben von chaotischen Zuständen Sonnabendnacht nach dem ersten Festivaltag. Was ist dort genau passiert?
Wir hatten bei der Abreise für ca. 3.000 der 85.000 Besucherinnen und Besucher eine angespannte Situation vor dem S-Bahnhof Hoppegarten. Diese Personen mussten sehr lange auf ihre Abfahrt warten. Wie schon auf der Festivalfläche selbst, kam es zu Kreislaufschwächen bei einzelnen Personen, die dann medizinisch versorgt werden müssen. Entgegen den pauschalen Wertungen in einzelnen Zeitungen hatten die vor Ort befindlichen Einsatzkräfte aus Bundespolizei, örtlicher Feuerwehr und Rettungsdienst des Landkreises die Lage im Griff. Es war eine angespannte, aber – auch durch die Besonnenheit der wartenden Besucher – nie eskalierende Situation.
Dies alles war im Wesentlichen durch drei Umstände verursacht: Zum einen bekam die Koordinierungsgruppe die Information erst zu einem Zeitpunkt, als sich schon fast 3.000 Wartende vor Ort befanden und daher zu spät Maßnahmen ergreifen konnte, um weitere Besucherinnen und Besucher zum Busshuttle umzuleiten. Zum zweiten gab es Verzögerungen des geplanten Verkehrs aus betriebstechnischen Gründen, so dass weniger Fahrgäste mit der S-Bahn zu diesem Zeitpunkt abfahren konnten und die Bahnen waren durch die Gäste des Oktoberfestes in Neuenhagen nach 0 Uhr stärker gefüllt. Leider war zeitgleich der Busshuttle-Terminal auch nicht optimal aufgestellt.
Die Koordinierungsgruppe hatte die Mängel in der Umsetzung der Verkehrskonzeption Sonntag früh ausgewertet und daraufhin auch beseitigen lassen. So erfolgte dann die Abreise der auch am Sonntag auf dem Festival befindlichen knapp 85.000 Besucherinnen und Besucher reibungslos.
Befürchtungen im Vorfeld wurden laut, dass es zu massiven Schäden in der Gemeinde und auf der Rennbahn durch die nun bestätigten 85.000 Besucher pro Tag kommen könnte. Gibt es Schäden und wenn ja, wer kommt dafür auf?
Wir haben bei einer ersten Kontrolle am Montag festgestellt, dass kaum Schäden im Umfeld des Festivals wie auch auf den Zugängen vorhanden sind. Natürlich hat der Innenbereich des Geläufs gelitten, aber bei Weitem nicht so stark wie ursprünglich befürchtet. Der Landkreis wird jetzt die Ausbesserungsarbeiten im Naturraum überwachen. Soweit Schäden vorhanden sind, muss der Veranstalter dessen Beseitigungskosten tragen; eine entsprechende Regelung gibt es auch mit uns als Gemeinde.
Noch am Veranstaltungssonntag bestätigten Vertreter von Lollapalooza und Rennbahn, dass es 2018 zu einer Wiederholung kommen wird. Am Montag hieß es dann, das Festival zieht nach Berlin um. Wie kommt diese Entscheidung zustande?
Das müssen Sie den Veranstalter fragen, insbesondere, warum er erst am Montag über die Wochen vorher bereits getroffene Verständigung mit Berlin über den Spielort 2018 die Presse, die Rennbahn und auch uns als Gemeinde informierte. Durch den zeitlichen Ablauf wissen wir, dass die genannten Gründe angeblicher infrastruktureller Probleme und hoher behördlicher Auflagen vorgeschoben sind.
Hoppegarten sei nicht für solch eine Großveranstaltung geeignet, sagten Kritiker im Vorfeld. Wie sehen sie das nun mit etwas Abstand zum Lollapalooza-Festival?
Da muss man zwischen Geeignetheit und Verträglichkeit unterscheiden. Dass der Standort für Großveranstaltungen auch infrastrukturell geeignet ist, hat insbesondere der Ablauf des Sonntags bewiesen. Auch die umfangreichen Schutzmaßnahmen für Geläuf und Natur waren erfolgreich.
Etwas ganz anderes ist es, wenn man über die Verträglichkeit eines solchen Großfestivals – immerhin das größte Festival in Deutschland – spricht. Hier gibt es zwei entgegengesetzte Meinungen, die beide nicht Unrecht haben. Es gibt die Auffassung, dass für ein Wochenende im Jahr auch eine solche Megaveranstaltung in Hoppegarten organisiert werden könnte, was u. A. in den fast 3.000 Karten zum Ausdruck kommt, die Bewohnerinnen und Bewohner unseres Postleitzahlenbereichs 15366 erhielten bzw. kauften.
Zum anderen gibt es auch die nicht unberechtigte Auffassung, dass ein Festival mit 85.000 Besucherinnen und Besuchern entweder weit weg von Wohnbebauung oder in eine Großstadt gehört, da es ja mit erheblichen Belastungen für die Anwohnerinnen und Anwohner verbunden ist.
Letztlich wird dies in Zukunft stark von der Rennbahn Hoppegarten GmbH & Co. KG als Eigentümerin der Rennbahn abhängen, da diese über die Nutzung ihrer (Privat-)Fläche entscheidet. Ohne Drittveranstaltungen wird der Betrieb der Galopprennbahn mittel- und langfristig nicht zu sichern sein. Hier gilt es mit der Rennbahn das richtige Maß zu finden, was die Balance zwischen den legitimen wirtschaftlichen Interessen des Rennsports und den legitimen Interessen der im Umfeld Wohnenden und Arbeitenden betrifft.
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